Posingsicher

Zehn Tipps, damit du ein "besseres" Model wirst.
Einige Hobbymodels sind mit sich überaus zufrieden. Sie haben einige Shootings absolviert und bezeichnen sich selbst als posingsicher und ausdrucksstark. Schuld daran sind nicht selten wir Fotografen. Wir loben unsere Models über den grünen Klee, wollen mit diesen Übertreibungen aber oftmals nur unseren Dank ausdrücken, dass das Model sich überhaupt vor unsere Kamera gestellt hat und natürlich möchten wir sie auch für weitere Zusammenarbeiten motivieren. Ein weiterer Punkt ist gerade hier bei Facebook das Feedback von Freunden und Bekannten. Da werden gezeigte Fotos mit zahlreichen Likes und Kommentaren bedacht, wie hübsch doch das "Model" ist und wie toll doch ihre Bilder aussehen. Da ist es logisch, dass jemand schon ein bisschen abhebt und sich für etwas Besseres hält.
Wann aber ist ein Model überhaupt posingsicher?
Um den meisten Models mal ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen, plaudere ich mal ein wenig aus dem Nähkästchen. Im Laufe der Jahre habe ich mit etwa 400 verschiedenen Mädchen/Frauen gearbeitet. Viele davon waren Anfängerinnen oder wollten gar kein Model werden, es gab aber auch Einige, die sich eben im Vorfeld als posingsicher bezeichneten. Wenn es viel waren, dann würde ich allenfalls einer Handvoll überhaupt das Prädikat posingsicher zusprechen.
Wenn man Menschen fotografiert, dann möchte man immer auch die Persönlichkeit desjenigen auf's Foto bringen. Dazu zählt zum Einen natürlich die Mimik und der Ausdruck, bei Ganzkörperbildern aber immer auch die Körpersprache. Nun gibt es einige klassische Modelposen, die aber immer den Nachteil haben, dass man zwischen Model A und Model B kaum einen Unterschied sieht. Als Fotograf kann man oftmals auch nur diese Posen vorgeben, so dass sich Lieschen Müller (Anfängerin) auch mal wie ein Model vorkommen kann. Wenn man aber individuellere, bzw. bessere Bilder machen möchte, dann braucht man ein Model, das einem ein großes Repertoire an Posen anbietet. Zusätzlich sollte das Model in der Lage sein, mit dem Fotografen zusammen einen Rythmus zu entwickeln. So ist die Auslöse-Frequenz bei jedem Fotografen eine andere. Manche stellen auf Dauerfeuer, andere sind etwas bedächtiger. In der Praxis sollte das dann idealerweise so laufen: Pose - click, click, click, neue Pose, click, click, click, ... Wenn sich eine solche Zusammenarbeit über 1-2h ergibt, natürlich unterbrochen von Pausen, Outfitwechsel, Lichtänderungen, erst dann lässt sich wirklich von einem posingsicheren Model sprechen.
Von den oben schon angesprochenen Anfängerinnen lässt sich das natürlich nicht erwarten und das ist auch überhaupt nicht schlimm! Die bekommen eben halt einen kleinen Crashkurs im Standardposing und auch jede Menge weitere Hilfe durch den Fotografen. Und selbstverständlich akzeptiert man auch, wenn jemand nur hin und wieder Bilder machen möchte, ansonsten aber keine Ambitionen hat, sich als Model zu verbessern. Es gibt aber eben auch diejenigen, die schon festgestellt haben, dass sie selbst maßgeblich zum Erfolg eines Shootings beitragen können und sich von Mal zu Mal steigern wollen.
Tipp 1: Üben, üben, üben!
Wir Fotografen brauchen im Wesentlichen ja nur die Technik im Griff haben. Deren Parameter haben sich in hunderten von Shootings quasi in's Gedächtnis gebrannt und trotzdem geht es zumindest mir so, dass ich nach vier Wochen Shootingpause schon ein klein wenig unsicher werde, ob das noch alles so funktioniert. Ein Model, das im Jahr vlt. drei oder vier Shootings absolviert, wird sich nie im Leben entscheidend verbessern. Die Pausen sind einfach zu groß.
Auch solltest du neben realen Shootings auch zwischendurch immer üben. Die Mimik und der Ausdruck lässt sich wunderbar zu Hause vorm Spiegel trainieren und posen kannst du sogar an der Bushaltestelle!

Tipp 2: Sei mutig!
Gerade bei Anfängern merkt man immer wieder, dass diese zwei/drei Haltungen kennen, die ihnen selbst natürlich vorkommen und mit denen sie sich identifizieren können. Garniert wird das mit einem Lächeln, weil man glaubt, nur so gut auszusehen.
Mglw. stimmt das sogar, im Anschluss stellt man aber fest, dass alle gemachten Fotos irgendwie gleich aussehen. Probiere stattdessen einfach mal aus! Studiere Posen ein, die dir selbst vlt. komisch vorkommen oder von denen du glaubst, dass so nie und nimmer ein gutes Foto entstehen könnte. Du wirst überrascht sein! Gleiches gilt für die Mimik. Versuche mal Emotionen zu zeigen! Freue dich über den Spass, den du gerade hast, denke an die furchtbare Meldung in den Nachrichten, wie du dich geärgert hast, weil dein Chef total doof zu dir war oder, oder, oder.

Tipp 3: Teste Outfits!
Die Pose, die mit einer Jeans und einem Top vlt. absolut toll aussieht, kann u.U. wenig geeignet sein, wenn du ein Kleid trägst. Probiere dich ruhig mal durch deinen Kleiderschrank und beobachte dich dabei selbst im Spiegel oder frage deinen Freund, was dir/euch gefällt und was nicht so wirkt.

Tipp 4: Spiele mit der Kamera!
Sei verführerisch, sei ablehnend, herablassend, hochnäsig, arrogant oder was immer dir noch einfällt! Sei eine Schauspielerin und schlüpfe in eine Rolle! Rufe dir dazu z.B. Filmszenen in's Gedächtnis, die du versuchst, nachzustellen. Das wird dir dann besonders leicht fallen, wenn du auch eine gewisse Ähnlichkeit mit der wirklichen Schauspielerin hast. Bedenke dabei, dass diese von dutzenden von Leuten beim Dreh umringt war, du musst dir nur den blöden Fotografen wegdenken!

Tipp 5: Sei selbstbewusst!
Bedenke immer, dass du der Star der Show bist und es nur auf dich ankommt! Sich schüchtern hinzustellen und zu fragen, was du jetzt machen sollst, ist bei Anfängern ja noch ganz süss, mit dem Background von schon einigen Shootings solltest du aber wissen, dass du jetzt liefern musst! Also zeige dem Fotografen dein Repertoire und traue dich auch ruhig, ihm Änderungen am Set vorzuschlagen oder äußere eigene Wünsche! Es gibt natürlich Fotografen, die von sich selbst dermassen eingenommen sind, dass sie sich in ihren Part niemals reinreden lassen würden, die meisten sehen es aber gar nicht ungern, wenn sich auch das Model engagiert mit eigenen Ideen einbringt.


Zu einem wirklich guten Model gehört natürlich noch einiges mehr, als sich posingsicher und selbstbewusst vor der Kamera zu zeigen.
Wenn du dich als Model auch neben der reinen Modeltätigkeit weiter verbessern möchtest, dann gibt es noch einige Punkte, auf die du achten solltest und für die ich auch noch ein paar Tipps für dich habe.
Tipp 6: Engagement!
Zeige dem Fotografen, dass dir etwas an eurer Zusammenarbeit liegt! Sei z.B. bereit, deine Anreise zum Treffpunkt selbst zu organisieren und verlasse dich nicht darauf, dass man dich zuhause abholt! Wirke aktiv bei der Zusammenstellung der Outfits mit und zeige vorab Bilder von den Dingen, die du mitbringen wirst!

Tipp 7: Zuverlässigkeit!
Klingt abgedroschen, ist aber wirklich entscheidend. Bedenke bitte, dass der Fotograf für dich einen ganzen Arbeitstag (ca. 8h) seiner Zeit reserviert. U.U. betreibt er schon vorab Aufwand, weil er die angedachte Location checkt, Ausrüstung u. Accessoires in's Auto lädt usw. Wenn dann fünf Minuten vorm Termin eine WhatsApp mit der Absage kommt, dann wird er sich bannig ärgern, zumindest aber tief enttäuscht sein und sich auch genau überlegen, ob er mit dir noch einmal einen Termin macht oder dich seinen Kollegen empfiehlt. Vereinbare also grundsätzlich nur dann einen Termin, wenn du dir sicher bist, diesen auch einhalten zu können. Sollte dann doch einmal etwas wirklich Unvorhergesehenes dazwischen kommen (die Shoppingtour mit der besten Freundin, der Besuch des Schwimmbads, weil das Wetter so schön ist, akute Unlust oder dgl. gehören nicht dazu), dann melde dich so früh wie möglich (spätestens 24h vorm Termin) von selbst bei ihm und warte nicht erst auf seine Nachfrage!

Tipp 8: Kommunikation!
Jedem Shooting geht eine Kommunikation voraus. Meistens schriftlich via FB-Nachrichten oder WhatsApp, manchmal auch per Telefon. Mitunter hat man dabei das Gefühl, dass es für das Model total lästig ist, mit einem Fotografen eine mögliche Zusammenarbeit zu besprechen. Dabei solltest du dir vor Augen führen, dass diese Absprachen für dich extrem wichtig sind. Z.B. möchtest du doch ganz sicher nicht während des Shootings zu etwas aufgefordert werden, was für dich nicht in Betracht kommt? Außerdem willst du doch gute Fotos für dein Portfolio bekommen. Das klappt nur, wenn klar definiert ist, was gemacht werden soll. Gib dir also (im eigenen Interesse) ein bisschen Mühe, wenn du mit einem Fotografen kommunizierst! Beantworte seine Fragen, stelle eigene und schiebe Nachrichten nicht auf die lange Bank! Und sei ein bisschen offen! Anfragen der Art: "Ey, Bock zu shooten?" sind immer wieder wenig inspirierend. Hier mal ein Beispiel, wie es besser (und vielversprechender) aussehen könnte.
Hallo Fotograf,
mein Name ist Lieschen Müller, ich bin xx Jahre alt und komme aus xxxxxxxxx. Ich hatte bis jetzt xx Shootings und es macht mir immer total viel Spass. Am liebsten shoote ich outdoor/im Studio in den Bereichen Portrait/Fashion/Bademode/Dessous/Akt.
Deine Seite ist mir positiv aufgefallen, weil mir die Fotos aufgrund der Lichtsetzung und der Bearbeitung sehr gefallen. Außerdem machst du auf mich einen sympathischen Eindruck und ich könnte mir vorstellen, dass uns beiden eine Zusammenarbeit sowohl Spass macht, aber auch tolle Ergebnisse erbringt. Wenn für dich ein TfP mit mir infrage kommt, dann schaue doch bitte mal auf meiner Seite (xxxxxxxx) vorbei und melde dich bitte bald.
LG, Lieschen

Tipp 9: Vorbereitung!
So wie es der Fotograf tut, sollte sich auch ein Model auf ein Shooting vorbereiten. Du solltest dich ein wenig zurechtmachen, deine Outfits und Accessoires einpacken und du kannst dir auch gerne ein paar Gedanken zum Shooting selbst machen. Wie wirst du posen, welche Ausdrücke möchtest du zeigen und ganz allgemein, wie stellst du dir die fertigen Fotos vor und was kannst du dafür tun, dass das dann auch so gelingt?

Tipp 10: vertragliche Verpflichtungen!
Ganz schlechter Stil ist es, wenn Models sich nicht an ihre vertraglichen Pflichten halten. So werden die allermeisten Fotografen in ihren Verträgen z.B. festhalten, dass Bilder nicht vom Model oder Dritten nachbearbeitet werden dürfen, dass speziell das Logo nicht entfernt werden darf und das generell bei jeder Veröffentlichung der Fotograf zu nennen ist. Sich daran nicht zu halten, wird zwar nur ganz selten vor einem Gericht verhandelt, es hinterlässt bei dem Fotografen aber auf jeden Fall ein Gefühl der Geringschätzung. Klar, dass er dich dann auch nur ungern weiterempfiehlt oder auch selbst mit dir einen weiteren Termin vereinbaren möchte.


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